Freiberufliche Tätigkeit selbständiger Ärzte
Selbständige Ärzte üben ihren Beruf grundsätzlich auch dann leitend und eigenverantwortlich aus, wenn sie ärztliche Leistungen von angestellten Ärzten erbringen lassen. Voraussetzung hierfür ist, dass sie die jeweils anstehenden Voruntersuchungen bei den Patienten durchführen, für den Einzelfall die Behandlungsmethode festlegen und sich die Behandlung „problematischer Fälle“ vorbehalten, die Leistungen somit den „Stempel ihrer Persönlichkeit“ tragen; Anschluss an BFH-Urteil v. 22.1.2004 – IV R 51/01 (BFH, Urteil v. 16.7.2014 – VIII R 41/12; veröffentlicht am 7.1.2015).
Sachverhalt: Die Klägerin betreibt eine Gemeinschaftspraxis für Anästhesie in der Rechtsform einer GbR und übt ihre Berufstätigkeit durch ihre Gesellschafter ohne Praxisräume als mobilen Anästhesiebetrieb in der Praxis von Ärzten aus, die Operationen unter Narkose durchführen wollen. Jeweils einer der Gesellschafter führte eine Voruntersuchung bei den jeweiligen Patienten durch und schlug eine Behandlungsmethode vor. Die eigentliche Anästhesie führte sodann ein anderer Arzt aus. In den Streitjahren beschäftigte die GbR eine angestellte Ärztin, die solche Anästhesien nach den Voruntersuchungen der Gesellschafter in einfach gelagerten Fällen vornahm. Problematische Fälle blieben nach den tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts (FG) den Gesellschaftern der GbR vorbehalten. Das Finanzamt sah die Tätigkeit der GbR wegen Beschäftigung der angestellten Ärztin nicht als freiberufliche Tätigkeit der Gesellschafter an und ging deshalb von einer gewerblichen Tätigkeit aus. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in allen Instanzen Erfolg.
Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:
- Die Mithilfe qualifizierten Personals ist für die Freiberuflichkeit des Berufsträgers unschädlich, wenn er bei der Erledigung der einzelnen Aufträge aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird (ständige Rechtsprechung).
- Dabei ist für einen Arzt ebenso wie für Krankenpfleger zu berücksichtigen, dass sie eine höchstpersönliche, individuelle Arbeitsleistung am Patienten schulden und deshalb einen wesentlichen Teil der Dienstleistungen selbst übernehmen müssen.
- Dafür reicht es aus, dass sie aufgrund ihrer Fachkenntnisse durch regelmäßige und eingehende Kontrolle maßgeblich auf die Tätigkeit ihres angestellten Fachpersonals – patientenbezogen – Einfluss nehmen, so dass die Leistung den „Stempel der Persönlichkeit“ des Steuerpflichtigen trägt.
- Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, obliegt der tatrichterlichen Würdigung im Einzelfall.
- Nach diesen Grundsätzen war die Klägerin freiberuflich tätig.
- Denn die Auffassung des FG, die notwendige – patientenbezogene – leitende Eigenverantwortlichkeit der Gesellschafter der Klägerin sei wegen der ausschließlich von ihnen geführten Voruntersuchungen, der Festlegung der Behandlungsmethode sowie des Vorbehalts der Selbstbehandlung „problematischer Fälle“ gegeben, ist auf Grundlage der umfangreichen tatsächlichen Feststellungen in jeder Hinsicht nachvollziehbar und deshalb bindend.
- Verlange man – wie die Finanzverwaltung – darüber hinaus die unmittelbare Ausführung der Anästhesietätigkeit durch die Gesellschafter, würde man den Einsatz fachlich vorgebildeten Personals im Bereich der Heilberufe faktisch ausschließen und damit die Anforderungen des Gesetzes überdehnen.
Quelle: NWB Datenbank