Hier erfahren Sie Neuigkeiten zu aktuellen Änderungen im Bereich der Privaten- und Unternehmenssteuern.

NB Steuerberatung Nürnberg - Neugebauer & Binder Steuerberater GbR

Krankheitskosten, die der Versicherte selbst trägt, um in den Genuss einer Beitragsrückerstattung seiner Krankenversicherung zu kommen, sind weder Sonderausgaben noch außergewöhnliche Belastungen (FG Münster, Urteil v. 17.11.2014 – 5 K 149/14 E; Revision zugelassen).

Sachverhalt: Streitig ist, ob Krankheitskosten, die die Kläger zur Erlangung einer Beitragsrückerstattung ihrer Krankenversicherungen selbst getragen haben, als Sonderausgaben bzw. außergewöhnliche Belastungen berücksichtigungsfähig sind. Das Finanzamt versagte den Sonderausgabenabzug, da es sich begrifflich nicht um Beiträge handele. Auch ein Abzug als außergewöhnliche Belastungen komme nicht in Betracht. Da die Kläger freiwillig auf die Geltendmachung der Erstattung verzichtet hätten, seien die Aufwendungen nicht zwangsläufig entstanden. Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg.

Hierzu führten die Richter weiter aus:

  • Ein Sonderausgabenabzug kommt nicht in Betracht, weil es sich nicht um „Beiträge“ im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe a EStG handelt.
  • Dies sind nur Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Erlangung von Versicherungsschutz stehen, was bei Zahlungen für Heilbehandlungen an Ärzte nicht der Fall ist.
  • Der Umstand, dass einerseits kein Sonderausgabenabzug möglich ist, aber andererseits die (spätere) Beitragsrückerstattung den Sonderausgabenabzug mindert, ist nicht verfassungswidrig: Das Grundgesetz verlangt lediglich eine Freistellung des Existenzminimums, was angesichts der geringen steuerlichen Auswirkungen im Streitfall nicht als gefährdet erscheint.
  • Ein Abzug der Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung scheitert daran, dass diezumutbare Belastung nicht überschritten wird.
  • Gegen die zumutbare Belastung bestehen wegen des dem Gesetzgeber eingeräumten Bewertungsspielraums keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Hinweis: Wegen der diesbezüglich bereits beim BFH anhängigen Verfahren (Az. VI R 33/13 und X R 43/13) hat der Senat die Revision zugelassen. Die Entscheidung ist auf der Homepage des FG Münsterveröffentlicht. Eine Aufnahme in die NWB Datenbank erfolgt in Kürze.

Quelle: FG Münster, Newsletter Februar 2015

 

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Wird ein bebautes Erbbaugrundstück, das der Erbbauberechtigte zu Wohnzwecken vermietet, von Todes wegen erworben, ist bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs des (neuen) Grundstückseigentümers ein verminderter Wertansatz nach § 13c Abs. 1 ErbStG nicht zu gewähren (BFH, Urteil v. 11.12.2014 – II R 25/14; veröffentlicht am 18.2.2015).

Hintergrund: Bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs sind nach § 13c Abs. 1 und 3 ErbStG bebaute Grundstücke oder Grundstücksteile mit 90% ihres Werts anzusetzen, wenn sie

  1. zu Wohnzwecken vermietet werden,
  2. im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums belegen sind und
  3. nicht zum begünstigten Betriebsvermögen oder begünstigten Vermögen eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft i.S. des § 13a ErbStG gehören.

Sachverhalt: Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung eines Bewertungsabschlags bei der Erbschaftsteuer: Die Erblasserin war Miteigentümerin von mit einem Erbbaurecht belastetem Grundbesitz. Nach dem Erbbaurechtsvertrag war nur eine Bebauung zu Wohnzwecken vorgesehen. Der Kläger erhielt im Wege eines Vermächtnisses einen Anteil von 1/12 an dem Miteigentumsanteil. Bei der Feststellung des Grundbesitzwerts berücksichtigte das FA den abgezinsten Bodenwert zuzüglich des kapitalisierten Erbbauzinses; ein Gebäudewertanteil blieb unberücksichtigt, da die Gebäude nach Ablauf des Erbbaurechts mit dem Verkehrswert zu entschädigen sind. Auf dieser Grundlage setzte das Finanzamt die Erbschaftsteuer fest. Der Kläger begehrte die Gewährung des 10%-igen Bewertungsabschlags für zu Wohnzecken vermietete Grundstücke – in allen Instanzen ohne Erfolg.

Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:

  • Voraussetzung für die Steuerbegünstigung nach § 13c Abs. 3 Nr. 1 ErbStG ist, dass sich der Erwerb auf ein bebautes Grundstück bezieht, das zu Wohnzwecken vermietet wird.
  • Diese Voraussetzungen sind beim Erwerb eines Erbbaugrundstücks nicht erfüllt. Ein erbbaurechtsbelastetes Grundstück ist trotz tatsächlich vorhandener Bebauung kein bebautes Grundstück i.S. des § 13c Abs. 3 ErbStG.
  • Die auf dem Erbbaugrundstück befindlichen Gebäude sind zivilrechtlich Bestandteil des Erbbaurechts – sie gehören nach § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht zu den Bestandteilen des Grundstücks, mit der Folge, dass der Eigentümer des Erbbaugrundstücks nicht zugleich Eigentümer der vorhandenen Bebauung ist.
  • Eigentümer der Gebäude ist vielmehr der Erbbauberechtigte; diesem ist die tatsächliche Bebauung auch rechtlich zuzurechnen.
  • Auch wird das Erbbaugrundstück nicht durch den Grundstückseigentümer (Erblasser) zu Wohnzwecken vermietet: Der Grundstückseigentümer hat mit dem Erbbauberechtigten keinen Mietvertrag sondern einen Erbbaurechtsvertrag geschlossen.
  • Die Vermietung des Erbbaugrundstücks durch den Erbbauberechtigten ist dem Grundstückseigentümer nicht zuzurechnen. Das gilt auch, wenn das vereinbarte Erbbaurecht nach § 2 Nr. 1 ErbbauRG nur eine Bebauung zu Wohnzwecken vorsieht.

Hinweis: Einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG konnten die Richter nicht erkennen: Die unterschiedliche Behandlung eines Erbbaugrundstücks und eines unbelasteten Grundstücks im Rahmen des § 13c Abs. 3 Nr. 1 ErbStG beruhe darauf, dass der Eigentümer des Erbbaugrundstücks weder Eigentümer der auf dem Erbbaugrundstück befindlichen Gebäude sei noch das Grundstück in eigener Person zu Wohnzwecken vermiete, während der Eigentümer des unbelasteten Grundstücks auch Eigentümer der Gebäude sei und die Vermietung selbst vornehme. Dies seien hinreichende Differenzierungsgründe. Im Übrigen wäre auch beim Erwerb eines unbelasteten Grundstücks, das der Eigentümer einem Dritten unentgeltlich zur Nutzung überlassen habe und das vom Dritten zu Wohnzwecken vermietet werde, eine Steuerbegünstigung nach § 13c ErbStG ausgeschlossen.

Quelle: NWB Datenbank

 

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Ästhetische Operationen und ästhetische Behandlungen sind nur dann als Heilbehandlung steuerfrei, wenn sie dazu dienen, Personen zu behandeln oder zu heilen, bei denen aufgrund einer Krankheit, Verletzung oder eines angeborenen körperlichen Mangels ein Eingriff ästhetischer Natur erforderlich ist. Bei Überprüfung der Umsatzsteuerfreiheit von Heilbehandlungsleistungen ist es zum Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient erforderlich, das für richterliche Überzeugungsbildung gebotene Regelbeweismaß auf eine „größtmögliche Wahrscheinlichkeit“ zu verringern. Zugleich hat der Steuerpflichtige im gesteigerten Maß den ihn nach § 76 Abs. 1 Satz 2 FGO treffenden Mitwirkungspflichten nachzukommen (BFH, Urteil v. 4.12.2014 – V R 16/12; veröffentlicht am 18.2.2015).

Sachverhalt: Die Klägerin betreibt eine Klinik, in der sie im Streitjahr 2002 durch approbierte Ärzte vorwiegend ästhetisch-chirurgische Maßnahmen wie Fettabsaugungen, Gesichts-, Hals- und Augenlid-Straffungen sowie Brustvergrößerungen, -verkleinerungen und -straffungen durchführte. Sie ging davon aus, dass ihre Leistungen im Zusammenhang mit diesen Operationen nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei seien. Das FA ging dagegen von steuerpflichtigen Umsätzen aus. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz keinen Erfolg. Auf die Revision der Klägerin hob der BFH das Urteil auf und wies die Sache zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das FG zurück.

Hierzu führten die Richter weiter aus:

  • Für den Bereich der sog. Schönheitsoperationen hat der EuGH seine Rechtsprechung dahingehend präzisiert, dass „ästhetische Operationen und ästhetische Behandlungen … unter den Begriff „ärztliche Heilbehandlungen“ oder „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin“ [fallen] …, wenn diese Leistungen dazu dienen, Krankheiten oder Gesundheitsstörungen zu diagnostizieren, zu behandeln oder zu heilen oder die Gesundheit zu schützen, aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen.
  • Die Leistungen müssen „dazu dienen, Personen zu behandeln oder zu heilen, bei denen aufgrund einer Krankheit, Verletzung oder eines angeborenen körperlichen Mangels ein Eingriff ästhetischer Natur erforderlich ist“ (EuGH, Urteil v. 21.3.2013 – C-91/12 PFC Clinic“)
  • Nichts anderes ergibt sich aus der bisherigen Rechtsprechung des erkennenden Senats.
  • Im Bereich der ästhetisch-chirurgischen Maßnahmen kommt es daher auf eine Einzelprüfung an.
  • Diese ist entgegen dem Urteil des FG der ersten Instanz unter größtmöglicher Wahrung des zwischen Arzt und Patient bestehenden Vertrauensverhältnisses und damit auf der Grundlage anonymisierter Patientenunterlagen vorzunehmen.
  • Daher kommt es für die im finanzgerichtlichen Verfahren erforderliche Beweiserhebung entgegen dem Urteil des FG nicht auf Einwilligungserklärungen der Patienten zur Vermeidung einer unbefugten Geheimnisoffenbarung i.S. von § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB an.

Hinweis: Der BFH betont auch die den Steuerpflichtigen (Klinik oder Arzt) treffenden Mitwirkungspflichten. Dieser muss – auf anonymisierter Grundlage – detaillierte Angaben zu dem mit dem jeweiligen Behandlungsfall verfolgten therapeutischen oder prophylaktischen Ziel machen.

Anmerkung: Mit einem weiteren Urteil vom gleichen Tag hat der V. Senat ebenfalls zur Steuerfreiheit von Schönheitsoperationen entschieden (V R 33/12). Hier wies das Gericht die Klage unter Anwendung der o.g. Grundsätze ab.

Quelle: NWB Datenbank sowie BFH, Pressemitteilung v. 18.2.2015

 

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Betreuungskosten für ein Haustier sind als haushaltsnahe Dienstleistungen abzugsfähig (FG Düsseldorf, Urteil v. 4.2.2015 – 15 K 1779/14 E; entgegen BMF-Schreiben v. 10.1.2014, BStBl. I 2014, 75).

Hintergrund: Nach § 35a Abs. 2 Satz 1 2. Alternative EStG ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die sonstigen Steuerermäßigungen, auf Antrag um 20%, höchstens 600 €, der Aufwendungen des Steuerpflichtigen für die Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleistungen, die nicht Dienstleistungen nach § 35a Abs. 3 EStG sind und in einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht werden (§ 35a Abs. 4 EStG).

Sachverhalt: Die Kläger halten eine Hauskatze in ihrer Wohnung. Mit der Betreuung des Tieres während ihrer Abwesenheit beauftragten sie eine Tier- und Wohnungsbetreuerin, die ihnen pro Tag 12 €, im Streitjahr 2012 insgesamt 302,90 €, in Rechnung stellte. Die Rechnungen beglichen die Kläger per Überweisung. Mit der Einkommensteuererklärung beantragten sie eine Steuerermäßigung für die Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienstleistungen. Das Finanzamt lehnte dies unter Verweis auf das einschlägige Schreiben des BMF (hier: Anlage 1 zu Rdnrn. 7, 20, 21) ab.

Hierzu führten die Richter des FG Düsseldorf weiter aus:

  • Die Versorgung von Haustieren hat einen engen Bezug zur Hauswirtschaft des Halters und wird deshalb von der Steuerbegünstigung für haushaltsnahe Dienstleistungen erfasst.
  • Der Begriff „haushaltsnahe Dienstleistung“ ist gesetzlich nicht näher bestimmt.
  • Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung gehören hierzu hauswirtschaftliche Verrichtungen, die gewöhnlich durch Mitglieder des privaten Haushalts oder entsprechend Beschäftigte erledigt werden und in regelmäßigen Abständen anfallen.
  • Hierzu zählen auch Leistungen, die ein Steuerpflichtiger für die Versorgung und Betreuung des in seinen Haushalt aufgenommenen Haustiers erbringt.
  • Katzen, die in der Wohnung des Halters leben, sind dessen Haushalt zuzurechnen.
  • Tätigkeiten wie die Reinigung des Katzenklos, die Versorgung der Katze mit Futter und Wasser und die sonstige Beschäftigung des Tieres fallen regelmäßig an und werden typischerweise durch den Halter und dessen Familienangehörige erledigt. Sie gehören damit zur Hauswirtschaft des Halters.

Hinweis: Das FG Düsseldorf hat die Revision zum BFH wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen. Die Entscheidung ist in der Rechtsprechungsdatenbank des Landes NRW unter Angabe des Az. recherchierbar. Eine Aufnahme in die NWB Datenbank erfolgt in Kürze.

Quelle: FG Düsseldorf online

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Die OFD Frankfurt/M. hat eine Verfügung zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmieten bei Wohnungsüberlassungen an nahe Angehörige sowie an Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses herausgegeben (OFD Frankfurt/M. v. 22.1.2015 – S 2253 A – 85 – St 227).

Hintergrund: Nach § 21 Abs. 2 EStG in der Fassung ab dem VZ 2012 ist die Nutzungsüberlassung einer zu Wohnzwecken genutzten Wohnung in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen, wenn das für die Nutzungsüberlassung gezahlte Entgelt weniger als 66% der ortsüblichen Vergleichsmiete beträgt. Für die Ermittlung der maßgeblichen Miete ist von ortsüblichen Marktmieten für Wohnungen vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung auszugehen. Die ortsübliche Marktmiete umfasst die ortsübliche Kaltmiete zuzüglich der nach der Betriebskostenverordnung umlagefähigen Kosten (vgl. R 21.3 EStR 2012).

Hierzu führt die OFD u.a. aus:

  • Die Ermittlung der ortsüblichen Miete ist maßgebend für die Beurteilung, ob eine verbilligte Wohnraumüberlassung vorliegt. Diese Ermittlung gestaltet sich in der Praxis oftmals schwierig.
  • Es geht darum, eine ortsübliche Vergleichsmiete ggf. im Rahmen einer sachgerechten Schätzung nach § 162 Abs. 1 AO zu ermitteln. Die ermittelte ortsübliche Warmmiete sollte dann auch in einem sich ggf. anschließenden Einspruchs- oder finanzgerichtlichen Verfahren belastbar sein.
  • Die nachfolgenden Ausführungen sollen für die Finanzamtspraxis Hilfestellungen geben, wie eine ortsübliche Miete ermittelt werden kann. Dabei werden zunächst die Ermittlungsmöglichkeiten der „Kaltmiete”, anschließend Ermittlungsmöglichkeiten der umlagefähigen Kosten beschrieben.
  • Die nachfolgenden Ausführungen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Dem Steuerpflichtigen bleibt es unbenommen, die tatsächliche ortsübliche Miete für nach Lage, Art und Ausstattung vergleichbare Wohnungen nachzuweisen.

Hinweis: Den vollständigen Text der o.g. Verfügung finden Sie in der NWB Datenbank unter der DokID:PAAAE-84189.

Quelle: NWB Datenbank

 

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Schuldzinsen für die Anschaffung einer im Privatvermögen gehaltenen wesentlichen Beteiligung, die auf Zeiträume nach der Veräußerung der Beteiligung entfallen, können ab dem VZ 2009 gemäß § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG nicht als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abgezogen werden. § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG steht dem nicht entgegen. Eine Option zur Regelbesteuerung gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG ist nicht eröffnet, wenn keine Kapitalerträge aus der Beteiligung mehr fließen und ein Auflösungsverlust i.S. des § 17 Abs. 2 und 4 EStG auf Antrag des Steuerpflichtigen nicht erst im Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation festgestellt wird, sondern bereits zu einem zeitlich davor liegenden Zeitpunkt (BFH, Urteil v. 21.10.2014 – VIII R 48/12; veröffentlicht am 11.2.2015).

Sachverhalt: Der Kläger war am Stammkapital einer GmbH wesentlich beteiligt. Wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde im Handelsregister 2007 die Auflösung der GmbH eingetragen. Die GmbH war in den Streitjahren (2009 und 2010) noch nicht gelöscht. Der Kläger wurde im Rahmen der Insolvenz der GmbH aus einer geleisteten Bürgschaft in Anspruch genommen. Die damit in Zusammenhang stehenden Kosten berücksichtigte das Finanzamt bei der Ermittlung des Verlustes aus § 17 EStG im VZ 2007. Die Zahlung auf die Bürgschaft finanzierte der Kläger durch ein Darlehen, für das in den Jahren 2009 und 2010 Zinsen gezahlt wurden. Diese Zahlungen machte der Kläger unter Hinweis auf § 32 d Abs. 2 Nr. 3 EStG als (nachträgliche) Werbungskosten geltend. Das Finanzamt berücksichtigte die Schuldzinsen nicht. Es begründete dies damit, dass eine mehr als 25%-tige Beteiligung des Klägers an der GmbH seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr bestanden habe und deshalb die Voraussetzungen für die Ausübung des Wahlrechts in § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG nicht erfüllt gewesen seien. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz Erfolg, der BFH dagegen hob das Urteil auf und wies die Klage ab.

Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:

  • Zwar hat der BFH seine bisherige Rechtsprechung zum Abzug von Schuldzinsen im Zusammenhang mit der Anschaffung einer im Privatvermögen gehaltenen Kapitalanlage (darunter fallen auch Beteiligungen i.S. des § 17 Abs. 1 EStG) geändert (BFH, Urteile v. 16.3.2010 – VIII R 20/08 und VIII R 36/07).
  • Schuldzinsen für die Anschaffung einer im Privatvermögen gehaltenen wesentlichen Beteiligung, die auf Zeiträume nach der Veräußerung der Beteiligung oder Auflösung der Gesellschaft entfallen, können danach wie nachträgliche Betriebsausgaben als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG geltend gemacht werden.
  • Das gilt entsprechend für Finanzierungskosten im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme eines Gesellschafters aus einer eigenkapitalersetzenden Gesellschafterbürgschaft (BFH, Urteil v. 20.8.2013 – IX R 1/13).
  • Dennoch kann der Kläger die ihm in den Streitjahren 2009 und 2010 tatsächlich erwachsenen Schuldzinsen nicht mehr als Werbungskosten im Rahmen des § 20 EStG geltend machen.
  • Denn mit der Einführung einer Abgeltungsteuer hat der Gesetzgeber – abgesehen von Sparer-Pauschbetrag – ein umfassendes Abzugsverbot für Werbungskosten angeordnet:
  • Entgegen der Auffassung des FG steht die Ausnahmeregelung des § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG im Streitfall der Anwendung des § 20 Abs. 9 EStG nicht entgegen, da dessen tatbestandlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind.
  • Mit § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, Erträge aus einer unternehmerischen Beteiligung gegenüber solchen aus einer Beteiligung zu privilegieren, die sich als lediglich private Vermögensverwaltung darstellt (vgl. BTDrucks 16/7036, S. 14). Nur für diese Fälle soll die Möglichkeit eröffnet werden, die Erträge dem progressiven Einkommensteuertarif (§ 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG) unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens (§ 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 EStG) zu unterwerfen (BTDrucks 16/7036, S. 14).
  • Nach dem Wortlaut des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG eröffnet der Gesetzgeber die Optionsmöglichkeit zur Regelbesteuerung damit gezielt für Kapitalerträge i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG aus einer unternehmerischen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, d.h. der Gesetzgeber geht davon aus, dass entsprechende Erträge erzielbar sind.
  • Der Senat muss im Streitfall nicht darauf eingehen, dass nach Auffassung der Finanzverwaltung grundsätzlich bereits das abstrakte Vorliegen von Kapitalerträgen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 EStG dem Steuerpflichtigen die Ausübung der Option selbst dann ermöglicht, wenn im jeweiligen VZ Erträge tatsächlich nicht vorhanden sind und die Option nur dazu dient, die tatsächlich entstandenen Werbungskosten zu 60 % im Rahmen der Veranlagung zu berücksichtigen (BMF, Schreiben v. 9.10.2012 – IV C 1-S 2252/10/10013).
  • Denn in Fällen wie hier, in dem die Beteiligten übereinstimmend davon ausgehen, dass Kapitalerträge aus der Beteiligung weder jetzt noch künftig fließen und deshalb ein Auflösungsverlust i.S. des § 17 EStG ausnahmsweise nicht erst im Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation (nach Löschung der Kapitalgesellschaft im Handelsregister) festgestellt wird, sondern bereits zu einem zeitlich davor liegenden Zeitpunkt, weil die Auskehrung von weiterem Vermögen mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, ist das für die Anwendung des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG erforderliche Tatbestandsmerkmal der „Kapitalerträge im Sinne des § 20 Absatz 1 Nummer 1 und 2“ nicht gegeben.
  • Eine andere Auslegung der Norm wäre mit dem Willen des Gesetzgebers, zufließende Kapitalerträge aus unternehmerischen Beteiligungen zu begünstigen, nicht vereinbar.
  • Sind aber die Tatbestandsvoraussetzungen der Norm nicht erfüllt – kann der Kläger also nicht zur Regelbesteuerung optieren -, sondern ist die Abgeltungsteuer anzuwenden, muss auch das Werbungskostenabzugsverbot gemäß § 20 Abs. 9 Satz 1 Halbsatz 2 EStG Anwendung finden.

Quelle: NWB Datenbank


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Auch private Hausbesitzer werden steuerlich zum Unternehmer mit entsprechenden Pflichten, wenn sie eine Photovoltaikanlage errichten und den erzeugten Strom in das öffentliche Netz einspeisen.

Das Bayerische Landesamt für Steuern hat verschiedene Informationen zu Photovoltaikanlagen im Internet veröffentlicht (Link zur Informationsseite des BayLFSt).

Auf den Internetseiten der Bundesnetzagentur finden Sie zudem Informationen zur Registrierung der Photovoltaikanlage und zum Einbau eines Zweirichtungszählers.

Das Bundeswirtschaftsministerium informiert über die verschiedenen Förderprogramme.

Autor: Marianne Kottke, LSWB-Bibliothek

 

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In einer aktuellen Meldung äußert sich der Bund der Steuerzahler zum Monatsbericht des BMF.

Hierzu führt der BdSt weiter aus:

  • Die Deutschen zahlen so viel Steuern wie nie. Die Einnahmen des Fiskus aus der Lohn- und Einkommensteuer sind im Jahr 2014 kräftig gestiegen, wie aus dem Monatsbericht des Bundesfinanzministeriums hervorgeht.
  • Bei diesem Steuerplus ist es Zeit, die Bürger endlich zu entlasten. Denn die gute Kassenlage des Staates ist vor allem der Verdienst der Arbeitnehmer und Unternehmer in Deutschland. An sie sollte jetzt gedacht und der ungerechte Effekt der kalten Progression beseitigt werden. Derzeit verdient der Fiskus bei jeder Lohnerhöhung oder Gewinnsteigerung überproportional mit.
  • Die Einnahmen der Bundesländer haben ebenfalls ordentlich zugelegt. Das ist den hohen Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer geschuldet.
  • Vor allem die Anhebung der Grunderwerbsteuersätze in einigen Bundesländern stützt das gute Ergebnis. An dieser Stelle sollten die Länder darüber nachdenken, ob sie bei den Häuslebauern weiterhin so stark zugreifen sollten. Auch bei deutlich niedrigen Steuersätzen würde noch genug in die Kassen kommen.
  • Im Jahr 2014 hat der Staat 593 Milliarden Euro eingenommen. Damit konnten Bund und Länder die Einnahmen um vier Prozent steigern. Im Haushaltsjahr 2013 lagen die Einnahmen noch bei rund 570 Milliarden Euro.

Quelle: BdSt, Pressemitteilung v. 31.1.2015

 

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Leitsatz:

  1. Die Antragsfrist des § 18 Abs. 9 UStG ist eine Ausschlussfrist, die nur durch einen vollständigen, dem amtlichen Muster in allen Einzelheiten entsprechenden Antrag gewahrt wird, wobei dem Antrag die Rechnungen und Einfuhrbelege im Original beizufügen sind.

  2. Das Verlangen nach Vorlage der Originalrechnung mit dem Vergütungsantrag kann unverhältnismäßig sein, wenn das Unvermögen des Antragstellers zur fristgerechten Vorlage der Originalrechnung vom Antragsteller nicht zu vertreten ist.

Tatbestand:

I.

1

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist ein Unternehmen mit Sitz in der Schweiz. Gegenstand des Unternehmens ist die Erbringung von Dienstleistungen im Bereich Sport-Marketing.

2

Die Klägerin beantragte am 23. November 2006 die Vergütung von Vorsteuererträgen in Höhe von 2.818.573,51 € im Rahmen des besonderen Vorsteuervergütungsverfahrens nach § 18 Abs. 9 des Umsatzsteuergesetzes in der im Streitjahr (2006) geltenden Fassung (UStG) i.V.m. §§ 59 bis 61 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) für den Vergütungszeitraum Juli bis September 2006. Am 29. Juni 2007 reichte die Klägerin für diesen Zeitraum einen weiteren Antrag auf Vorsteuervergütung in Höhe von 271.641,60 € ein. Mit den Anträgen wurde u.a. eine Rechnungsfotokopie des B vom 13. September 2006 (Vorsteuern in Höhe von 254.096 €) eingereicht. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Bundeszentralamt für Steuern –BZSt–) fasste die beiden Anträge zu einem Antrag zusammen.

3

Mit Bescheid vom 23. November 2007 versagte das BZSt die Vorsteuervergütung u.a. aus der Rechnung des B vom 13. September 2006 mangels Vorlage der Originalrechnung.

4

Mit ihrer Klageschrift vom 15. Dezember 2008 erhob die Klägerin Klage und reichte die Originalrechnung des B nach. Im Klageverfahren trug der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 17. Juli 2009 vor, die Originalrechnung sei nie abhanden gekommen. Alle Buchhaltungsunterlagen der Klägerin seien im April 2007 an das Treuhandbüro der Klägerin versandt worden. Bis zum Ablauf der Antragsfrist am 30. Juni 2007 sei die Originalrechnung nicht auffindbar gewesen, weil die Buchhaltungsunterlagen in mehreren Kartons abgelegt gewesen seien. Erst im Dezember 2008 habe eine Mitarbeiterin die Rechnung zufällig in einem Ordner gefunden.

5

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage wegen der Versagung der Vorsteuervergütung aus der Rechnung des B ab. Zur Begründung seines in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 1892 veröffentlichten Urteils führte das FG im Wesentlichen aus, da die Klägerin innerhalb der bis 30. Juni 2007 laufenden Frist des § 18 Abs. 9 UStG nicht die Originalrechnung vorgelegt habe, sei ihr die beantragte Vorsteuervergütung zu versagen. Zwar sei § 18 Abs. 9 Satz 4 UStG für den Fall des Verlustes der Originalrechnung dahingehend einschränkend auszulegen, dass für den Fall des vom Unternehmer nicht zu vertretenden Verlustes der Originalrechnung die Vorlage einer Zweitschrift der Rechnung oder einer Bestätigung des Rechnungsausstellers zu der Rechnungskopie innerhalb der Antragsfrist ausreiche. Die Vorlage einer einfachen Kopie, wie sie von der Klägerin vorgelegt worden sei, reiche aber nicht aus.

6

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie Verletzung materiellen Rechts und Verfahrensfehler geltend macht. Aus § 18 Abs. 9 Satz 4 UStG ergebe sich lediglich, dass die Vorsteuerbeträge u.a. durch Vorlage der Originalrechnungen nachzuweisen seien, nicht aber, dass dies bereits mit Antragstellung erfolgen müsse. Aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 11. Juni 1998 (gesicherter Bereich)C-361/96 Société générale des grandes sources d’eaux minérales françaises (Slg. 1998, I-3495) folge, dass der Steuerpflichtige auch im Vergütungsverfahren die Möglichkeit habe, den Nachweis durch Vorlage einer Rechnungskopie zu führen. Ihr, der Klägerin, müsse ebenso wie einem inländischen Unternehmer die Möglichkeit eröffnet werden, den Nachweis der Berechtigung zum Vorsteuerabzug mit allen zulässigen Beweismitteln zu führen. Hierzu gehöre auch eine Rechnungskopie. Die Versagung dieser Möglichkeit führe zu einem Verstoß sowohl gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als auch gegen den Neutralitätsgrundsatz. Außerdem sei die Originalrechnung, wie es das FG für seine Forderung nach Vorlage einer Zweitschrift zugrunde lege, nicht abhanden gekommen. Die Originalrechnung sei nur zeitweise nicht auffindbar gewesen. Die Versagung des Vorsteuerabzugs sei im Übrigen vorliegend auch nicht zur Verhinderung einer Steuerhinterziehung erforderlich.

7

Das FG habe mit seinem Urteil auch gegen Verfahrensrecht verstoßen, weil es den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt habe, indem es seine Rechtsauffassung, wonach zum Nachweis der Berechtigung zum Vorsteuerabzug die Vorlage einer Zweitschrift der Rechnung zwingend erforderlich sei, den Beteiligten erst kurz vor Ende der mündlichen Verhandlung mitgeteilt habe. Hierin liege eine unzulässige Überraschungsentscheidung.

8

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des FG insoweit aufzuheben, als die Vergütung von Vorsteuerbeträgen in Höhe von 254.096 € abgelehnt worden ist und den Bescheid über die Vergütung von Vorsteuerbeträgen für den Zeitraum Juli bis September 2006 vom 23. November 2006 sowie die Einspruchsentscheidung vom 13. November 2008 dahingehend zu ändern, dass eine weitere Vergütung von Vorsteuern in Höhe von 254.096 € festgesetzt wird.

9

Das BZSt beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

10

Es macht sich im Wesentlichen die Ausführungen in den Gründen des FG-Urteils zu eigen.

Gründe:

II.

11

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Zu Recht hat das FG entschieden, dass die Klägerin keinen zur Vorsteuervergütung berechtigenden Antrag nach § 18 Abs. 9 UStG gestellt hat, weil sie mit dem Antrag nicht das Original der Rechnung, aus der sie den Vorsteuerabzug geltend macht, sondern nur eine Kopie vorgelegt hat; die spätere Vorlage der Originalrechnung im Klageverfahren heilt dieses Versäumnis nicht.

12

1. Nach § 18 Abs. 9 Satz 1 UStG kann zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens das Bundesministerium der Finanzen mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Vergütung der Vorsteuerbeträge (§ 15 UStG) an im Ausland ansässige Unternehmer, abweichend von § 16 UStG und von § 18 Abs. 1 bis 4 UStG, in einem besonderen Verfahren regeln. Der Vergütungsantrag ist gemäß § 18 Abs. 9 Satz 3 UStG binnen sechs Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres zu stellen, in dem der Vergütungsanspruch entstanden ist. Der Unternehmer hat die Vergütung selbst zu berechnen und die Vorsteuerbeträge durch Vorlage von Rechnungen und Einfuhrbelegen im Original nachzuweisen (§ 18 Abs. 9 Satz 4 UStG).

13

a) Bei der Antragsfrist des § 18 Abs. 9 UStG handelt es sich um eine Ausschlussfrist (EuGH-Urteil vom 21. Juni 2012 (gesicherter Bereich)C-294/11, Elsacom, (gesicherter Bereich)BStBl II 2012, 942; Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 8. August 2013 (gesicherter Bereich)V R 3/11, (gesicherter Bereich)BFHE 242, 535, (gesicherter Bereich)BStBl II 2014, 46). Sie wird nur durch einen vollständigen, dem amtlichen Muster in allen Einzelheiten entsprechenden Antrag gewahrt (BFH-Beschluss vom 9. Januar 2014 (gesicherter Bereich)XI B 11/13, BFH/NV 2014, 915). Aus der gesetzessystematischen Stellung des § 18 Abs. 9 Satz 4 UStG zwischen § 18 Abs. 9 Sätze 3 und 5 UStG, in denen ausdrücklich der Vergütungsantrag genannt ist, ergibt sich, dass bereits mit dem Vergütungsantrag die Rechnungen und Einfuhrbelege im Original beizufügen sind (BFH-Urteil vom 18. Januar 2007 (gesicherter Bereich)V R 23/05, (gesicherter Bereich)BFHE 217, 32, (gesicherter Bereich)BStBl II 2007, 430, m.w.N.). Hieran hält der Senat fest. Im vorliegenden Fall konnte weder der fristgerechte Antrag unter Beifügung nur einer Kopie der Originalrechnung noch die Vorlage der Originalrechnung mit Klageerhebung nach Ablauf der Frist des § 18 Abs. 9 UStG einen Vergütungsanspruch der Klägerin begründen.

14

b) Die Einwendungen der Revision hiergegen greifen nicht durch. Ob und ggf. in welchem Umfang sich die im Drittlandsgebiet ansässige Klägerin auf für im Gemeinschaftsgebiet ansässige Steuerpflichtige geltende unionsrechtliche Grundsätze berufen kann, ist fraglich. Denn die dem Anwendungsbereich der Dreizehnten Richtlinie 86/560/EWG des Rates vom 17. November 1986 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Verfahren der Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Gebiet der Gemeinschaft ansässige Steuerpflichtige (Richtlinie 86/560/EWG) unterliegenden Unternehmer in Drittländern können anders behandelt werden als die dem Anwendungsbereich der Achten Richtlinie 79/1072/EWG des Rates vom 6. Dezember 1979 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Verfahren zur Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Inland ansässige Steuerpflichtige (Richtlinie 79/1072/EWG) unterliegenden Unternehmer im Unionsgebiet. Eine Ungleichbehandlung verstößt insoweit nicht gegen das Verbot der Diskriminierung nach Art. 12 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft –EGV– (Art. 18 Arbeitsweise der Europäischen Union), weil das Diskriminierungsverbot keine Anwendung im Falle einer Ungleichbehandlung zwischen Angehörigen der Mitgliedstaaten und Drittstaatsangehörigen findet (EuGH-Urteil vom 4. Juni 2009 (gesicherter Bereich)C-22/08 und (gesicherter Bereich)C-23/08, Vatsouras Koupatantze, Slg. 2009, I-4585, Rz 52; BFH-Urteil in (gesicherter Bereich)BFHE 242, 535, (gesicherter Bereich)BStBl II 2014, 46).

15

c) Der Senat braucht diese Frage aber nicht zu beantworten, weil sich im vorliegenden Sachverhalt auch für einen im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Steuerpflichtigen kein Vergütungsanspruch ergeben würde.

16

aa) Aus dem EuGH-Urteil Société générale des grandes sources d’eaux minérales françaises in Slg. 1998, I-3495 folgt, dass ein nicht im Inland ansässiger Steuerpflichtiger einem Erstattungsantrag grundsätzlich die Originalrechnungen und Originaleinfuhrdokumente beizufügen hat, aus denen sich die Umsatzsteuerbeträge ergeben, deren Erstattung beantragt wird (EuGH-Urteil Société générale des grandes sources d’eaux minérales françaises in Slg. 1998, I-3495 Rz 26). Dabei muss aber das abgeleitete Recht die allgemeinen Rechtsgrundsätze und vor allem den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten (EuGH-Urteile Société générale des grandes sources d’eaux minérales françaises in Slg. 1998, I-3495, Rz 30; vom 5. Juli 1977 Rs. C-114/76, Bela-Mühle, Slg. 1977, 1211, Rz 5 bis 7). Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dürfen Maßnahmen nicht über das zur Erreichung ihres Zieles Erforderliche hinausgehen (vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 18. Dezember 1997 (gesicherter Bereich)C-286/94, Molenheide u.a., Slg. 1997, I-7281, Rz 48; BFH-Urteil vom 22. Juli 2010 (gesicherter Bereich)V R 36/08, (gesicherter Bereich)BFH/NV 2011, 316). Das Erfordernis der Vorlage der Originalrechnung ist unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit grundsätzlich berechtigt, weil es das einzige Mittel darstellt, um eine Mehrfachvergütung der Umsatzsteuer mit Sicherheit auszuschließen und die Anerkennung von Zweitschriften oder Kopien das Risiko von Mehrfachvergütungen birgt.

17

(1) Allerdings folgt aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass der für im Gemeinschaftsgebiet ansässige Steuerpflichtige geltende Art. 3 Buchst. a der Richtlinie 79/1072/EWG dahin auszulegen ist, dass es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt ist, in seinem innerstaatlichen Recht die Möglichkeit vorzusehen, dass ein nicht im Inland ansässiger Steuerpflichtiger bei von ihm nicht zu vertretendem Abhandenkommen einer Rechnung oder eines Einfuhrdokuments den Nachweis seines Erstattungsanspruchs durch Vorlage einer Zweitschrift der Rechnung oder des fraglichen Einfuhrdokuments führt, wenn der dem Erstattungsantrag zugrunde liegende Vorgang stattgefunden hat und keine Gefahr besteht, dass weitere Erstattungsanträge gestellt werden (EuGH-Urteil Société générale des grandes sources d’eaux minérales françaises in Slg. 1998, I-3495, Rz 29 und 31).

18

(2) Des Weiteren folgt aus dem Diskriminierungsverbot des Art. 6 EGV, dass ein Mitgliedstaat der EU, der –wie die Bundesrepublik Deutschland– den in seinem Staatsgebiet ansässigen Steuerpflichtigen die Möglichkeit einräumt, bei von ihnen nicht zu vertretendem Abhandenkommen der Originalrechnung den Nachweis ihres Anspruchs auf Erstattung der Umsatzsteuer durch Vorlage einer Zweitschrift oder einer Ablichtung der Rechnung zu führen, diese Möglichkeit auch nicht in diesem Mitgliedstaat ansässigen Steuerpflichtigen einräumen muss, wenn der dem Erstattungsantrag zugrunde liegende Vorgang zweifelsfrei stattgefunden hat, das Abhandenkommen der Rechnung oder des Einfuhrdokuments vom Steuerpflichtigen nicht zu vertreten ist und in Anbetracht der Umstände feststeht, dass die Gefahr weiterer Erstattungsanträge nicht gegeben ist (EuGH-Urteil Société générale des grandes sources d’eaux minérales françaises in Slg. 1998, I-3495, Rz 36).

19

bb) Es liegt weder ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz noch gegen das Diskriminierungsverbot vor.

20

(1) Ein Verzicht auf die Vorlage der Originalrechnung kommt sowohl unter dem Gesichtspunkt des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als auch unter dem des Diskriminierungsverbotes nur in Betracht, wenn das Abhandenkommen der Rechnung oder des Einfuhrdokuments vom Steuerpflichtigen nicht zu vertreten ist (EuGH-Urteil Société générale des grandes sources d’eaux minérales françaises in Slg. 1998, I-3495, Rz 29 und 36). Das Unvermögen der Klägerin, die Originalrechnung innerhalb der Frist des § 18 Abs. 9 UStG vorzulegen, beruht aber auf einem von ihr zu vertretenden Organisationsverschulden. Die Klägerin hat es versäumt, ihre Belegverwaltung so zu organisieren, dass ihr ein jederzeitiger Zugriff auf Eingangsrechnungen möglich war. Dass der Verbleib der Rechnung des B vom 13. September 2006 im Zuge eines Umzuges zwischenzeitlich über einen längeren Zeitraum unklar war, liegt im Verantwortungsbereich der Klägerin.

21

(2) Bei der Versäumung von Ausschlussfristen wird dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im deutschen Recht darüber hinaus durch die verfahrensrechtlichen Regelungen in §§ 109, 110 der Abgabenordnung (AO) Rechnung getragen. Gemäß § 109 Abs. 1 AO können Fristen zur Einreichung von Steuererklärungen und Fristen, die von einer Finanzbehörde gesetzt sind, verlängert werden und nach § 110 Abs. 1 AO ist jemandem, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, unter bestimmten weiteren Voraussetzungen auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

22

Die Möglichkeiten, die das Verfahrensrecht durch §§ 109, 110 AO eröffnet, reichen aus, um dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in außergewöhnlichen Fällen der Fristversäumnis zu entsprechen. Die Klägerin hat von diesen Möglichkeiten aber keinen Gebrauch gemacht. Insbesondere hat sie innerhalb der Fristen von § 110 Abs. 2 und 3 AO keinen Antrag auf Fristverlängerung gestellt. Im Übrigen ist sie aus den unter II.1.c bb genannten Gründen auch nicht ohne Verschulden verhindert gewesen, die Frist des § 18 Abs. 9 UStG einzuhalten.

23

d) Es liegt auch kein Verstoß gegen sonstige unionsrechtliche Grundsätze, den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), gegen Art. 2 Abs. 2 des General Agreement on Trade in Services (GATS; BGBl II 1994, 1643), gegen Art. 25 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern von Einkommen und Vermögen vom 19. Januar 1973 ((gesicherter Bereich)BGBl II 1973, 74) oder gegen Art. 11 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Nachlass- und Erbschaftsteuern (BGBl II 1980, 1341, BStBl I 1980, 786) vor. Der Senat verweist insoweit auf seine Urteile in (gesicherter Bereich)BFHE 242, 535,(gesicherter Bereich)BStBl II 2014, 46, sowie in (gesicherter Bereich)BFHE 217, 32, (gesicherter Bereich)BStBl II 2007, 430.

24

2. Die von der Klägerin geltend gemachte Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 FGO) durch Erlass einer Überraschungsentscheidung liegt nicht vor. Eine Überraschungsentscheidung kann gegeben sein, wenn das FG sein Urteil auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Verlauf der Verhandlung nicht rechnen musste (z.B. BFH-Beschluss vom 13. Juli 2012 (gesicherter Bereich)IX B 3/12, (gesicherter Bereich)BFH/NV 2012, 1635). Einer umfassenden Erörterung der für die Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte bedarf es dabei aber nicht (BFH-Beschluss vom 25. Mai 2000 (gesicherter Bereich)VI B 100/00, BFH/NV 2000, 1235). Dadurch, dass das FG seine Rechtsansicht hinsichtlich der Notwendigkeit einer Rechnungszweitschrift erst kurz vor Ende der mündlichen Verhandlung hat erkennen lassen, liegt schon deshalb keine Überraschungsentscheidung vor, weil es keine allgemeine Hinweispflicht in dem Sinne gibt, dass das Gericht seine mögliche Beurteilung andeuten müsste (BFH-Beschlüsse vom 5. Februar 2014 (gesicherter Bereich)III B 108/13, (gesicherter Bereich)BFH/NV 2014, 706; vom 17. Oktober 2012 (gesicherter Bereich)III B 68/12, (gesicherter Bereich)BFH/NV 2013, 362). Im Übrigen haben gerade die Anforderungen an einen zum Vorsteuervergütungsanspruch führenden Antrag im Mittelpunkt des Rechtsstreits vor dem FG gestanden. Darin, dass das FG ohne vorherige Ankündigung nicht der Rechtsansicht der Klägerin gefolgt ist, ist keine Überraschungsentscheidung zu sehen.

Normen:

GG:3/1  GG:103/1  UStG:15  UStG:16  UStG:18/1  UStG:18/2  UStG:18/3  UStG:18/4  UStG:18/9  AO:109  AO:110  FGO:96/2  EGV:6  EGV:12  EWGRichtl-79/1072:3

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Leitsatz:

  1. Die Vorsteuerberichtigung nach § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG setzt – ebenso wie die des § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG – eine Änderung der Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz voraus.

  2. Gewährt der in einem anderen Mitgliedstaat ansässige erste Unternehmer einer Lieferkette, der eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung an einen im Inland ansässigen Unternehmer erbringt, dem letzten Unternehmer der Lieferkette einen Rabatt, so ändert sich dadurch weder die Bemessungsgrundlage für die innergemeinschaftliche Lieferung des ersten Unternehmers noch für den damit korrespondierenden innergemeinschaftlichen Erwerb seines Abnehmers.

Tatbestand:

I.

1

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Sie befasst sich mit der Planung und Herstellung von Kommunikationsnetzen. Mit den Firmen A, B, C und D bildete die Klägerin eine Einkaufsgemeinschaft für den Erwerb von Erzeugnissen der in dem Vereinigten Königreich ansässigen X-Ltd. (X). Die Gesellschaften der Einkaufsgemeinschaften kauften die Produkte bei verschiedenen Großhändlern in der Bundesrepublik Deutschland. Die Klägerin erwarb die Produkte unter Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs. X zahlte einen Rabatt für die Einkäufe aller vier Gesellschaften der Einkaufsgemeinschaften quartalsweise an A aus. A ermittelte dann den Anteil jeder Gesellschaft der Einkaufsgemeinschaft anhand der jeweiligen Einkäufe und leitete die Rabatte entsprechend an diese Gesellschaften und damit auch an die Klägerin weiter.

2

Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung kürzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) die Vorsteuerbeträge für das Streitjahr (2006) entsprechend den von der X gewährten Rabatten und änderte die Umsatzsteuerfestsetzung 2006 gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung mit Bescheid vom 4. März 2008 entsprechend.

3

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Zur Begründung seines in (gesicherter Bereich)Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 1804 veröffentlichten Urteils führte das Finanzgericht (FG) im Wesentlichen aus, der von X gewährte Rabatt stelle eine Änderung der Bemessungsgrundlage dar, die gemäß § 17 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (UStG) zur Berichtigung des Vorsteuerabzugs bei der Klägerin führe.

4

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision, zu deren Begründung sie im Wesentlichen vorträgt, eine Berichtigungspflicht nach § 17 Abs. 1 UStG betreffe grundsätzlich nur die unmittelbar an einem Leistungsaustausch beteiligten Unternehmer. Das von ihr, der Klägerin, im Leistungsaustausch mit den Großhändlern aufgewandte Entgelt, habe sich nicht verringert. Das nach dem umsatzsteuerrechtlichen Neutralitätsgrundsatz erforderliche Gleichgewicht zwischen Umsatzsteuer und Vorsteuer sei in diesem Leistungsverhältnis daher gewährleistet.

5

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid 2006 vom 4. März 2008 sowie die Einspruchsentscheidung vom 16. März 2010 unter Anerkennung weiterer Vorsteuerbeträge in Höhe von 3.259,30 € zu ändern und die Umsatzsteuer 2006 auf 122.684,23 € festzusetzen.

6

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Gründe:

II.

7

Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das FG hat zu Unrecht die Voraussetzungen einer zur Berichtigung des Vorsteuerabzugs bei der Klägerin führenden Änderung der Bemessungsgrundlage gemäß § 17 Abs. 1 UStG bejaht.

8

1. Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG geändert, so hat nach § 17 Abs. 1 UStG der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen (§ 17 Abs. 1 Satz 1 UStG). Ebenfalls ist der Vorsteuerabzug bei dem Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt wurde, zu berichtigen (§ 17 Abs. 1 Satz 2 UStG). Dies gilt nicht, soweit er durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich nicht begünstigt wird (§ 17 Abs. 1 Satz 3 UStG). Wird in diesen Fällen ein anderer Unternehmer durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich begünstigt, hat dieser Unternehmer seinen Vorsteuerabzug zu berichtigen (§ 17 Abs. 1 Satz 4 UStG). Die Sätze 1 bis 4 gelten in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG –innergemeinschaftlicher Erwerb– und des § 13b UStG –Leistungsempfänger als Steuerschuldner– sinngemäß (§ 17 Abs. 1 Satz 5 UStG).

9

2. Unionsrechtlich beruht § 17 Abs. 1 UStG auf Art. 20 Abs. 1 Buchst. b der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG; ab 1. Januar 2007 Art. 185 Abs. 1 der Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG –MwStSystRL–). Danach wird der ursprüngliche Vorsteuerabzug berichtigt, wenn sich die Faktoren, die bei der Festsetzung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden, nach Abgabe der Erklärung geändert haben, u.a. bei erlangten Rabatten.

10

3. Die Voraussetzungen für eine Vorsteuerkorrektur nach § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG sind im Streitfall nicht erfüllt, denn die Bemessungsgrundlage für den Umsatz der Großhändler an die Klägerin, der sie zum Vorsteuerabzug berechtigt, hat sich nicht geändert. Da sich die Bemessungsgrundlage i.S. des § 10 Abs. 1, § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG (das Entgelt) grundsätzlich nach dem zwischen Leistendem und Leistungsempfänger bestehenden Rechtsverhältnis richtet (Urteile des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 17. Dezember 2009 (gesicherter Bereich)V R 1/09, (gesicherter Bereich)BFH/NV 2010, 1869; vom 16. Januar 2003 (gesicherter Bereich)V R 36/01, (gesicherter Bereich)BFH/NV 2003, 667, unter II.2.a), betrifft auch die Berichtigungspflicht nach § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG nur die am Leistungsaustausch unmittelbar beteiligten Unternehmer. Dies folgt systematisch aus den Regelungen des § 17 Abs. 1 Sätze 3 und 4 UStG, welche die Auswirkungen regeln, die die Änderung der Bemessungsgrundlage im jeweiligen Rechtsverhältnis auf andere Unternehmer hat und unionsrechtlich aus Art. 11 Teil C Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG, der vertragliche Beziehungen betrifft, die unmittelbar zwischen zwei Vertragsparteien zustande kommen und nachträglich eine Änderung erfahren (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union –EuGH– vom 24. Oktober 1996 (gesicherter Bereich)C-317/94, Elida Gibbs Ltd., Slg. 1996, I-5339 Rdnr. 31).

11

Das Entgelt im Rechtsverhältnis zwischen den Großhändlern und der Klägerin, also alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG), hat sich nicht geändert, weil sich der Wert dessen, was die Klägerin gegenüber den Großhändlern aufgewandt hat, durch den Rabatt nicht verändert hat; eine Berücksichtigung des von X gewährten Rabattes scheidet im Verhältnis zwischen den Großhändlern und der Klägerin aus. Nichts anderes ergibt sich aus dem Unionsrecht, das gemäß Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG (Art. 73 MwStSystRL) auf den Wert der Gegenleistung, die der Lieferer (die Großhändler) für seine Umsätze vom Erwerber (der Klägerin) erhalten hat, abstellt.

12

4. Die Voraussetzungen einer Vorsteuerberichtigung nach § 17 Abs. 1 Sätze 3 und 4 UStG liegen ebenfalls nicht vor, weil auch die Vorsteuerberichtigung nach § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG –ebenso wie die des § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG– eine Änderung der Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz voraussetzt (BFH-Urteil vom 5. Juni 2014 XI R 25/12, BFHE 245, 465, BFH/NV 2014, 1692).

13

Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 3 UStG muss der Unternehmer, an den der Umsatz ausgeführt wurde, den Vorsteuerabzug nicht berichtigen, soweit er durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich nicht begünstigt wird. Wird in diesen Fällen ein anderer Unternehmer durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich begünstigt, hat dieser Unternehmer seinen Vorsteuerabzug zu berichtigen (§ 17 Abs. 1 Satz 4 UStG).

14

a) § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG regelt die Voraussetzungen der Vorsteuerberichtigung nicht dem Grunde nach, sondern bestimmt, welcher Unternehmer seinen Vorsteuerabzug zu berichtigen hat (BFH-Urteil in BFHE 245, 465, BFH/NV 2014, 1692). Abweichend von § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG, wonach der Vorsteuerabzug bei dem Unternehmer zu berichtigen ist, „an den dieser Umsatz ausgeführt wurde“, ordnet § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG die Berichtigung des Vorsteuerabzugs bei dem (anderen) Unternehmer an, der durch die Änderung der Bemessungsgrundlage „wirtschaftlich begünstigt“ wird.

15

aa) Die Vorsteuerberichtigung nach § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG setzt ebenso wie die des § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG eine Änderung der Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz voraus. Mit der Formulierung „in diesen Fällen“ knüpft die Vorsteuerberichtigung nach § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG nach Wortlaut und Gesetzessystematik nämlich nicht nur an die in § 17 Abs. 1 Satz 3 UStG geregelten Fälle an, in denen ein anderer Unternehmer durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich begünstigt wird, sondern auch an die in § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG enthaltene Bedingung, dass „sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 [UStG] geändert“ hat. § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG gleicht mit der Vorsteuerkorrektur beim wirtschaftlich begünstigten Unternehmer den nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG geminderten Steuerbetrag aus (BFH-Urteil in BFHE 245, 465, BFH/NV 2014, 1692). Diese Korrektur hängt davon ab, ob es zu einer Minderung des Steuerbetrags i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG kommt. Anderenfalls käme es zu einem Umsatzsteuerüberhang, was indes dem Sinn und Zweck des § 17 Abs. 1 UStG widerspräche, die Neutralität der Umsatzsteuer zu gewährleisten (BFH-Urteil in BFHE 245, 465,BFH/NV 2014, 1692).

16

bb) Das entspricht der Gesetzesbegründung zu § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG i.d.F. durch Art. 5 Nr. 14 des Richtlinien-Umsetzungsgesetzes –EURLUmsG– (BGBl I 2004, 3310). Mit § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG hat der Gesetzgeber § 17 UStG an das EuGH-Urteil Elida Gibbs in Slg. 1996, I-5339 angepasst (vgl. dazu BFH-Urteil vom 15. Februar 2012XI R 24/09, (gesicherter Bereich)BFHE 236, 267, (gesicherter Bereich)BStBl II 2013, 712, Rz 28), um sicherzustellen, dass für Unternehmer, die auf den Produktions- und Vertriebsstufen vor der Endverbrauchsstufe tätig sind, die Umsatzbesteuerung neutral ist. Unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes darf dem Fiskus aus allen Umsatzgeschäften von der Produktion bis zum Endverbraucher insgesamt nur der Umsatzsteuerbetrag zufließen, den der Endverbraucher wirtschaftlich aufwendet (BRDrucks 605/04, 69 f.).

17

b) Für keinen der in Betracht kommenden Umsätze in der Leistungskette X –Großhändler– Einkaufsgemeinschaft (Klägerin) liegen die Korrekturvoraussetzungen vor: Für die Lieferung der Großhändler an die Klägerin folgt das aus den unter II.3. genannten Gründen. Dasselbe gilt für die (steuerfreie) Lieferung durch X an die Großhändler und für den nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG im Inland steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb der Großhändler.

18

aa) Bei der Lieferung des X an die Großhändler fehlt es am Merkmal eines „steuerpflichtigen“ Umsatzes (§ 17 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. Satz 1 UStG). X hätte den für ihre Umsätze geschuldeten Steuerbetrag nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG zu ihren Gunsten nur berichtigen können, wenn ihre Umsätze nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG der Umsatzsteuer im Inland unterlegen hätten und steuerpflichtig gewesen wären, was –korrespondierend– die Verpflichtung der Klägerin zur Berichtigung ihres Vorsteuerabzugs zur Folge gehabt hätte (vgl. dazu EuGH-Urteile Elida Gibbs in Slg. 1996, I-5339; vom 24. Oktober 1996 (gesicherter Bereich)C-288/94, Argos Distributors Ltd., Slg. 1996, I-5311; vom 15. Oktober 2002C-427/98, Kommission/Deutschland, Slg. 2002, I-8315; BFH-Urteile in (gesicherter Bereich)BFHE 236, 267,(gesicherter Bereich)BStBl II 2013, 712; vom 5. Juni 2014 XI R 25/12,BFH/NV 2014, 1692, und vom 12. Januar 2006 (gesicherter Bereich)V R 3/04, (gesicherter Bereich)BFHE 213, 69,(gesicherter Bereich)BStBl II 2006, 479, unter II.1.b).

19

Diese für eine Lieferkette im Inland geltenden Grundsätze kommen aber nicht zum Tragen, wenn es sich bei der Lieferung des ersten Unternehmers um eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung handelt. Das verstößt nicht gegen den Neutralitätsgrundsatz (vgl. Elida Gibbs in Slg. 1996, I-5339 Rdnr. 31); denn X erbringt keine im Inland steuerbaren und steuerpflichtigen Umsätze. Sie führt ihre Lieferungen (an die Großhändler) in Großbritannien aus, und zwar entsprechend Art. 28c Teil A Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG (Art. 138 Abs. 1 der MwStSystRL) als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen.

20

bb) Die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG liegen auch nicht bei dem innergemeinschaftlichen Erwerb durch die Großhändler vor. Zwar gelten § 17 Abs. 1 Sätze 1 bis 4 UStG auch in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG (§ 17 Abs. 1 Satz 5 UStG). Die Bemessungsgrundlage für den innergemeinschaftlichen Erwerb hat sich entgegen der Auffassung des FA indes nicht geändert. Der von X an die Klägerin gewährte Rabatt hat keinen Einfluss auf den Wert dessen, was die Großhändler aufgewandt haben, um die Lieferungen zu erhalten (§ 10 Abs. 1 Satz 1 UStG, Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG –Art. 73, 83 MwStSystRL).

21

Darüber hinaus würde sich eine Änderung der Bemessungsgrundlage des innergemeinschaftlichen Erwerbs bei den Großhändlern umsatzsteuerrechtlich nicht auswirken, denn die Großhändler können gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 3 UStG „die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb …“ als Vorsteuerbeträge abziehen. Es käme damit zu dem Verstoß gegen den Neutralitätsgrundsatz, der mit der Änderung des § 17 Abs. 1 UStG i.d.F. des EURLUmsG (BGBl I 2004, 3310) gerade vermieden werden sollte (s. unter II.4.a aa und bb). Denn dem Fiskus würde durch die Herabsetzung des Vorsteuerabzugs bei der Klägerin im Ergebnis ein Umsatzsteuerüberhang zufließen, weil die Umsatzsteuer aus den Lieferungen der Großhändler nicht entsprechend herabgesetzt würde und auch keine andere Korrektur eingreifen würde.

22

Die Auffassung des FA, die Bemessungsgrundlage des innergemeinschaftlichen Erwerbs durch die Großhändler sei zu ändern, ohne dass dies Einfluss auf den Vorsteuerabzug der Großhändler aus § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG habe, ist mit dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 Nr. 3 UStG nicht in Einklang zu bringen. Der Vorsteuerbetrag besteht in der Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb. Ändert sich diese, ändert sich zwingend auch der Vorsteuerbetrag.

Normen:

UStG:1/1/1  UStG:1/1/5  UStG:10/1  UStG:13b  UStG:17/1  EWGRichtl-77/388:11/A/1/a  EWGRichtl-77/388:11/C/1  MwStSystRL:73  MwStSystRL:83

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